Elternkreis Mettmann

Selbsthilfegruppe für Eltern suchtkranker Kinder

Gemeinsam Wege suchen

Dies sind Erfahrungsberichte und Geschichten, die betroffene Eltern zur Veröffentlichung auf unserer Seite freigegeben haben, damit andere Eltern von ihren Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren oder Trost daraus ziehen können.

Hast auch Du eine Geschichte, die hier erzählt werden sollte?


Wenn ja, nimm gerne Kontakt zu uns auf über das Kontaktformular oder direkt

per E-Mail an elternkreis.mettmann@gmail.com.

  • Warum kommen Eltern in den Elternkreis?

    Silke:

    Warum die Meetings so wichtig und hilfreich für mich sind? Weil es bei jedem Meeting für mich mindestens den einen großen Aha-Moment gibt!

    Da werden Erfahrungen, Gedanken und Gefühle geschildert, bei denen ich ganz kräftig nicken muss!

    Genauso kenne ich das auch!

    Ich erkenne mich oder die Situation oder mich in der Situation wieder. Und es hilft mir zu wissen, dass ich damit nicht alleine bin.


    Sandy:

    Die Elternabende bedeuteten für mich von Anfang an eine Kehrtwende für mein Leben. Ich lernte andere Eltern kennen und fühle mich nicht mehr alleine. Hier sind Menschen die mich verstehen und die ich ohne viel Erklärungen verstehe.  Und wenn ich sehe, dass auch andere Eltern hoffnungsvoller aus diesem Treffen gehen, öffnet es mir mein Herz. Hier werde ich verstanden, vorbereitet auf das was noch kommen kann und erhalte immer wieder Hoffnung, dass es wieder gut wird. Es fühlt sich fast an wie Familie. Die Treffen sind für mich wie eine Substitution für die Sehnsucht nach meinem Kind, wenn ich ihn zu sehr vermisse. Es ersetzt meinen Sohn nicht, aber es lässt sich leichter ertragen ihn seinen Wege gehen zu lassen. In anderen Worten: Methadon ist auch kein Ersatz für Heroin, es macht nur, dass man es leichter erträgt ohne das Heroin. 

  • Oh wie schön ist Kanada!

    WoW. Ich bin in Kanada. 


    Beruflich. 5 Tage. Zu einer Preisverleihung. Als Alleinerziehende Mutter von 3 Jungs.


    Einer 13 mit Behinderung, einer 21 Suchterkrankt und einer mit normalen Problemen, die man hat, wenn man 18 ist.


    Nochmal WoW. 


    Wie hab ich das denn bloß geschafft?


    Die Geschichte, die ich euch jetzt erzähle, ist eine wunderschöne- und erzählt viel über das Leben, über ganz oben und ganz unten - und über Hoffnung und Vertrauen darauf, dass nichts so schlimm bleibt wie es  ist.


    Leben ist Bewegung und Überraschung.


    Deshalb sitze ich gerade in Kanada.


    Mein ältester Sohn hat im Alter von 14 angefangen Drogen zu nehmen. Erst ab und zu „nur“ gekifft, dann immer mehr, immer wilder, alles ausprobiert, gelogen, geklaut, betrogen, im Entzug, im Krankenhaus, auf der Intensivstation.


    Halb im Knast, nicht mehr in der Schule.


    Und doch ist er zwischendurch immer wieder „aufgetaucht“. Nicht nur körperlich, sondern als Mensch, als Sohn, Bruder, Neffe.


    Ja, ich musste schon sehr genau hinschauen, um die Momente nicht zu verpassen. Kurze Momente. Sehr kurz. Manchmal wochenlang gar keine….


    Kleine Kostbarkeiten. 


    Wenn er sich nach Liebe sehnend in meine Arme fallen gelassen hat - und in die seiner Brüder. 


    Zu seinem jüngsten Bruder Noah mit Behinderung hatte er immer schon eine ganz besondere Beziehung. 


    Noah ist ein Brennglas für Liebe. Er nimmt dich besonders fest in den Arm, wenn du es am nötigsten brauchst und am wenigstens verdient hast.


    Gutes Rezept! Eigentlich für jeden.


    Das Band zwischen uns allen ist nie abgerissen. Ich habe jede Sekunde, jeden Moment genutzt, um es weiter zu knüpfen und zu verstärken.


    Dann eine Eskalation Anfang 2021. Am Boden angekommen, stelle ich ihn vor das Ultimatum: Änder was - oder geh!


    Ich kann dir nicht beim Sterben zugucken. 


    Ich kann es einfach nicht.


    Ich liebe dich. Dich sterben zu sehen überlebe ich nicht. 


    Bitte geh!!!


    Er entscheidet sich zu leben -für mich? für uns? für sich? - und beginnt eine Langzeittherapie. 6 Monate.


    Er ist einer der Wenigen, die durchhalten.


    In der Therapie hat er einen Rückfall. Sie nennen es Vorfall und bauen es in den Therapieverlauf ein.


    Ich bin so dankbar!


    Er löscht nach und nach alle Kontakte in seinem Handy. Die alten Kreise wären zu stark, um weiter „clean“ zu bleiben.


    Übrig bleiben wenige Menschen. Der harte Kern. 


    Die Familie. Zuhause.


    Ich bin tief berührt wie rigoros er sich auf sein neues Leben einlässt. (Eigentlich so wie er vorher rigoros alle Drogen genommen hat - nur andersrum, denke ich.


    Charakterlich ist er sich treu geblieben. Zum Glück.)


    Er beginnt mit Sport. 


    Geht nach den 6 Monaten weit weg von Zuhause, in eine andere Stadt („an dem Ort, an dem man krank geworden ist, wird man nicht wieder gesund“.)


    Er startet ein freiwilliges soziales Jahr, kämpft sich jeden Tag, jede Stunde in sein neues Leben.  Es geht bisher gut.


    Und hier sind wir: am Anfang der Geschichte.


    Als ich von der Nominierung in Kanada erfahren habe, hab ich mich wahnsinnig gefreut und gleichzeitig gedacht, schade, dass ich nicht hinfahren kann. 


    Wer soll denn auf meinen 13 jährigen mit Behinderung aufpassen?


    Und dann sagt mein ältester Sohn am Telefon diese unglaublich schönen Sätze:


    „Ich pass auf - und du fährst! Dann kann ich dir endlich was zurückgeben von all dem, was du für mich getan hast.“


    Und ich hab gedacht, ok, trau ich ihm das zu? Kann ich ihm vertrauen?


    Mein Herz hat sofort ja gesagt.


    Er hat sich so gefreut, dass ich ihm die Aufgabe zutraue und ich hab mich so gefreut, dass er mir dieses Geschenk macht. Verantwortung zu übernehmen: für sich und für andere.


    Und so bin ich in Kanada und die Jungs haben sich in Deutschland.


    Ich bin sicher, dass alles gut gehen wird.


    Nun stehe ich 10.000 km entfernt am  Fenster meines Hotels mit Blick auf die Rocky Mountains und denke an Zuhause: 


    Oh, wie schön ist Kanada.

  • Die Flucht

    Als sich abzeichnete, dass meine Anstrengungen als Spion völlig erfolglos waren, wollte ich dennoch nicht aufgeben meinen Sohn zu retten und dachte mir eine andere Strategie aus: Die unangekündigte blitzartige Flucht aus dem Kölner Raum. 


    Umzug in ein ganz anderes Umfeld mit anderen Leuten, ganz neu anfangen.


    Gesagt getan, wir fuhren in den Sommerferien nach Budapest sagten meinem Sohn aber nicht, dass wir für immer da bleiben wollten.


    Am Ende der Sommerferien wollten wir ihm dann mitteilen dass wir dorthin umziehen.  Als mein bester Freund von diesem Plan erfuhr, lud er mich zum Frühstück ein und sagte mir, dass dieser Umzug ein riesen Fehler wäre und dass ich das Problem damit nicht lösen würde… Aber ich blieb dabei. 


    Kaum waren wir eine Woche in Budapest als mein Sohn das erste mal im völlig berauschten Zustand nach Hause kam, er hatte einen jungen Mann kennengelernt der eine leerstehende Wohnung hatte in der jeden Abend die Post abging. Er wurde schnell genau so schlimm wie in Köln, und schon fing er wieder an die Türen in unserer neuen Mietwohnung zu knallen und uns laut anzuschreien und nicht vor 13 Uhr aus dem Bett zu kommen…


    Als die deutsche Schule in Budapest von diesem Problem erfuhr, weigerte sie sich ihn aufzunehmen und so standen wir nach 5 Wochen und mehreren tausend Euro Kosten da ohne Schule und ohne Zukunft. 


    Noch am selben Tage verliessen wir fluchtartig Budapest wieder. Aber ich blieb hart und wir verbrachten einige Tage in einer Pension im Bergischen Land, nur nicht wieder ins alte Haus zurück wo der Notarzt und die Polizei unsere täglichen Gäste waren.


    Dann überredeten wir meinen Sohn eine Entziehungskur zu machen aber er brach sie nach 2 Wochen ab. Ich gab nicht auf, wir fuhren weiter nach Paris zu seiner Tante und verbrachten dort einen Monat bis mein Sohn endlich wieder in eine Entziehung einwilligte; wir fuhren von Paris aus direkt dorthin aber er verweigerte die Aufnahme! 


    Diesmal fuhr ich mit ihm alleine nach Ostfriesland in eine Ferienwohnung um die Wartezeit für einen nächsten Aufnahmetermin zu überbrücken, wir kennen die Gegend von unseren Urlauben und ich dachte es wäre eine sichere und drogenfreie Umgebung bis mir ein Polizist sagte, dass wenn ich das gedacht hätte müsste er mir leider mitteilen, dass die Stadt Norden ein Drogenhotspot sei…. 


    Und das Elend nahm nie gekannte Ausmasse an… es war entsetzlich, mein Sohn verkaufte alle seine Habseligkeiten und wurde mehrmals brutal zusammengeschlagen, Polizei Notarzt, blutige Handtücher, geklautes Fahrrad Unfälle, Schreiereien...die schlimmste Zeit meines ganzen Lebens. 


    Dann nahte endlich nach 3 Monaten ein neuer Aufnahmetermin...


    Mit letzter Kraft teilte ich ihm diesen mit worauf er mir sagte. „Papa ich will da nicht hin, ich lass mich nicht einsperren, fahr Du ruhig zurück nach Köln, ich bleibe auf jeden Fall hier“ ...packte seinen Rucksack und fuhr mit meinem Fahrrad davon. 


    Ich war so gut wie tot, räumte die total versiffte Ferienwohnung auf und floh alleine nach Köln. Auf der Fahrt, Panikattacke, wieder zurück; noch eine Nacht heimlich auf einem Bauernhof in Ostfriesland übernachtet und dann zitternd alleine zurück nach Köln.


    Mein Sohn verbracht danach mit 17 fast 3 Monate auf der Strasse verlor 30 kg und ist fast gestorben. Ich war verzweifelt und hoffte 3 Monate auf seine Einsicht.


    Euch allen die Ihr das lest möchte ich sagen, dass eine Flucht nur Zeit und Geld und Eure Gesundheit kostet aber ein bitteres Ende nicht verhindert und die Situation kein bisschen verbessert. 


    Bleibt lieber wo Ihr seid und und versucht das Problem vor Ort zu lösen. Hätte ich besser auf meinen Freund gehört.


  • Was habe ich aus der Suchterkrankung meines Sohnes gelernt - Anjas Learnings

    Was habe ich aus der Suchterkrankung meines Sohnes gelernt – 

    Meine Schritte und Stationen – Anjas Erfahrungen

    Infos einholen – Gleichgesinnte suchen – Therapeutische Hilfe – Selbstfürsorge - ins Tun kommen


    Ich habe nicht nur aus der Suchterkrankung gelernt, sondern aus den vielen Situationen, die eine Suchterkrankung und das Leben mit sich bringt.


    Ich habe mich nie dem Thema Sucht und illegale Drogen befasst, denn das Thema war bis dato nicht relevant für mich.


    Damals gab es wenig Hilfsangebote für Angehörige deren Kinder eine Doppeldiagnose haben, sodass ich mit wenig Computerkenntnissen einen Blog ins Netz gesetzt habe – www.bittere-traenen.de


    Hierüber habe ich viele andere betroffene Eltern erreicht habe und es entstand ein online Selbsthilfeforum.


    So bekam ich ein Selbstbewusstsein auch außerhalb meines privaten Umfeldes über die Erkrankung meines Sohnes zu berichten.


    Ich habe Workshops, Seminare und Veranstaltungen besucht, um mehr über die Erkrankung meines Sohnes zu erfahren, um besser damit umzugehen.


    Zeitgleich habe ich mir als Angehörige und damals depressive Mutter therapeutische Hilfe geholt und es nicht als Schwäche angesehen.


    Ich wollte mich stärken, um besser mit den schwierigen Situationen die bedingt durch die Erkrankung meines Sohnes zurecht zu kommen.


    Es war ja nicht nur die Erkrankung, sondern da gab es einen Beruf zu stemmen, Familie, Haushalt und meine kranken Eltern.


    Es ist wichtig sich da selbst in den Blick zu nehmen, zu sortieren, auch aussortieren und strukturieren, denn mein Leben war für mich ein gefühltes Chaos.


    2)  Krise wird Stärke – Immer wieder aufstehen - Loslassen – Selbstfürsorge – Eltern-/ Partnerteam


    Ich habe gelernt das aus einer persönlichen seelischen Krise, ich immer wieder mit einer erneuten Stärke herausgefunden habe.


    Das neben meines an Sucht und Psychose erkrankten Kindes auch viele weitere persönlichen Schicksalsschläge ich wieder aufstehen musste.


    Die Erfahrung lehrte mich das, das  Leben weitergeht, trotz der ganzen Katastrophengedanken. Es kommt sowieso anders als man denkt.


    Ich musste lernen, mich von meinem Sohn zu lösen, als er den Weg in die Obdachlosigkeit gewählt hat.


    In der Zeit lernte ich auch für mich selbst zu sorgen, damit ich mich vor lauter Sorgen nicht innerlich zerfresse.


    In der Partnerschaft hatten wir einige Krisen zu bewältigen, gerade wegen unserer unterschiedlichen Ansichten zur Erkrankung unseres Sohnes.


    Mit meinem Partner zusammen haben wir gelernt, dass es wichtig ist sich gegenseitig in Bezug des Sorgenkindes sich nicht zu zerfleischen,

    sondern gemeinsam einen Weg zu finden um mit der Situation zurechtzukommen. Mit Vorwürfen und Selbstvorwürfen wir nicht weiterkamen.


    Wir haben gemerkt das wir gemeinsam als Eltern wesentlich stärker und auch mutiger sind um für unsere Rechte, sowie die Recht unseres erkrankten Kindes zu kämpfen.


    Die Wertschätzung und Achtung, aber auch die Liebe zueinander haben aus uns ein tolles Team und zu all unseren Kindern meistens aufmerksame und verständnisvolle Eltern gemacht.


    Schicksalsschlag – Lebenskrise – Inhaltssuche - Selbsthilfe


    Meine schlimmste Zeit war als mein Mann an Krebs erkrankte und wir wussten das er bald sterben würde.


    Zu dieser Zeit war mein Sohn schon vier Jahre in der Forensik, wo wir ihn regelmäßig besuchten und wir uns gegenseitig immer wieder Mut zusprachen.


    Wie würde mein Leben ohne meinen Seelenpartner, als Ehemann, Freund, Vater meiner Kinder funktionieren. Schaffe ich das allein?


    Nach seinem Tod war das tolle Team wie amputiert und mein Alltag ein ganz anderer. Erst da habe ich gemerkt das da nicht nur die Trauer um meinen Mann, sondern auch Trauer über die verlorene Gesundheit und Potenzial meines erkrankten Sohnes war. Beides hatte fast den gleichen Schmerz.


    Aus dieser Lebenskrise heraus besuchte ich ein Seminar zur ehrenamtlichen Trauerhelferin. Wieder beschäftigte ich mich mit der Situation, in der ich mich befand.


    Denn Trauer hat viele Gesichter, denn man betrauert nicht nur den Tod, sondern auch den Verlust von Gesundheit, Job, Auszug der erwachsenen Kinder usw.


    Um meinem Leben wieder einen Inhalt zu geben, um meine alte Stärke zu finden, habe ich mich in der Suchtselbsthilfe für Eltern erkrankter Kinder aktiv engagiert.


    In einem analogen Elternkreis und dem Landesverband habe ich wertvolle Menschen kennengelernt. Ich habe wieder ein tolles Team gefunden.


    Ich bemerke heute erst den Unterschied zwischen wertvollen Menschen und sogenannten Freunden. Auch das habe ich aussortiert.


    Mein Weg – Liebe und Abgrenzung  -  Akzeptanz - Engagement 


    Mein Sohn ist aus der Forensik in einer 24/7 Betreuung. Ich schaffe es allein mit ihm einen harmonischen Kontakt zu halten, aber mich auch in manchen Dingen abzugrenzen.


    Ich bin gut beschäftigt in der Selbsthilfe, denn es hilft mir etwas von dem weiterzugeben was mir geholfen hat. Ich bleibe nicht stehen und lerne jeden Tag dazu.


    Als junge Frau war ich sehr introvertiert, schüchtern. Heute bin ich offen, rede gerne und lache viel. Ich lasse es aber auch zu, mal traurig zu sein.


    Ich habe gelernt das man sich für Gefühle nicht schämen muss. Ich bin wesentlich selbstbewusster und viel befreiter als noch vor und während der Erkrankung meines Kindes.


    Ich habe gelernt dass man vieles akzeptieren muss, weil es nicht zu ändern ist, aber ich auch nicht alles hinnehmen muss, weil man es ändern kann.


    Früher habe ich mich oft gefragt:“ „Warum ausgerechnet ich diejenige sein muss die dieses Schicksal bekommen hat“?


    Für mich habe ich die Antwort gefunden: „Weil ich dieses Schicksal tragen kann“. 

  • Sammys Song

    Mama war noch jung, doch auf dich freute sie sich.

    Mein großer Bruder, sie war so stolz auf dich.

    Sie wollte dich locker erziehen, einfach besser sein,

    doch irgendwie fiel sie auf ihr Leben rein.


    Du wurdest älter, warst uns ein großer Bruder,

    und wir gerieten dir nie aus dem Ruder.

    Du warst verspielt, eben ein richtiges Kind,

    niemals hätte Mama gedacht, dass du ihr aus den Händen rinnst.


    Drogen haben nicht nur dein Leben sondern auch Mamas zerstört,

    dabei haben dir unsere Eltern von den Gefahren gelehrt. 


    Du warst 13 und rauchtest du deinen ersten Joint,

    bekamst ihn geschenkt von einem falschen Freund.

    Die Schule war für dich unwichtig, nur noch Dreck,

    immer öfter bliebst du vom Unterricht weg.


    Mit 15 warst du süchtig nach Bongs und Pillen,

    Du hast Mama bestohlen, um deine krankhafte Sucht zu stillen.

    Sie hat viel geweint, geglaubt und gekämpft um dich,

    und dabei fast vergessen, Papa, ihren zweiten Sohn und mich.


    Drogen haben nicht nur dein Leben sondern auch meins zerstört

    oder hast du noch nie was vom Stolz eines Bruders gehört?


    Papa versuchte mit dir zu reden, gab dir Hausarreste,

    diese Art von Bestrafung hielt er für das Beste.

    Warst du manchmal clean, war er stolz auf dich,

    doch auf die Drogenscheiße verzichten konntest du nicht.

    Den Schulabschluss schafftest du nicht, es war dir nicht wichtig,

    das Gelabere bei der Drogenberatung fandst du nicht richtig.

    Alkohol war zu den Drogen noch dein einziger Freund

    und wenn man bedenkt, es fing alles an mit einem Joint.


    Drogen haben nicht nur dein Leben, sondern auch Papas zerstört.

    Du hast doch bestimmt was von bösen Dealern auf Straßen gehört.


    Keinen Job, keine Perspektive, Wohnen im Obdachlosenasyl,

    polytox heißt, du nahmst von den Rauschmitteln viel zu viel.

    Den Körper ruiniert, Mama flehte dich immer wieder an.

    Junge lass dir helfen, doch keine Menschenseele liest du ran.


    Du wolltest Pep, Speed und Ecstasy, durch die Nase zogst du Chemie.

    Nun bist du ein seelischer Krüppel, leidest an Schizophrenie.

    Du bist mehr in der Anstalt, das reale Leben siehst du nicht mehr.

    Papa verzweifelt und Mama depressiv sie weint, aber keine Tränen mehr.


    Drogen haben nicht nur dein Leben, sondern auch das unserer Familie zerstört,

    Du hast bestimmt noch nie was von Coabhängigkeit gehört.


    Nun bist du krank, wirst nicht mehr gesund,

    sollte ich dich kiffen sehn, hau ich dir den Joint aus dem Mund.

    Unter Betreuung, du kannst nicht mehr stehen auf eigenen Beinen

    und ich könnte den ganzen Tag nur noch schreien und weinen.


    Jeden Dealer, den ich seh, könnt ich so verdreschen,

    doch ich weiß, sie würden sich nur blutig rächen.

    Mein großer Bruder, warum musste es soweit kommen?

    Warum hast du nur diese Scheiß Drogen genommen?


    Drogen haben nicht nur dein Leben und deine Gesundheit zerstört,

    sie haben auch die Dealer reich und fett genährt.  


    20.02.2006 Sammy W.


  • Wie ich ein Spion war...

    Wie ich ein Spion war


    Bis vor einigen Jahren lebte ich als ganz normaler Bürger in einem ganz normalen Beruf, stand morgens brav auf, fuhr ins Büro und kam abends wieder, aß mit meiner Familie zu Abend und schlief einen mehr oder weniger sorglosen Schlaf nachdem ich alle Störungen von außen durch die Verwendung von Ohropax abgestellt hatte…


    Doch plötzlich fing mein Leben an sich grundlegend zu verändern.


    Es begann damit, dass die Klassenlehrerin meines Sohnes auf einem Schulfest mir sagte, dass mein Sohn seit einiger Zeit so seltsam glasige Augen hätte und sich im Unterricht auffällig ruhig und brav verhalten würde.


    Sofort klingelten bei mir die Alarmglocken und ich fragte ihn warum er denn seit einiger Zeit immer schon um 6 Uhr morgens aufstehen würde um sich vor der Schule mit Freunden zu treffen. Nach anfänglichen Ausreden gab er schließlich zu, dass er angefangen hätte zu kiffen und sich morgens am Bahnhof mit anderen Jugendlichen treffen würde um zusammen einen kleinen Joint zu rauchen… Ich fiel aus allen Wolken.


    Und dann kam der langsame aber unaufhaltsame Abstieg den viele Eltern Suchtkranker Kinder kennen…er kam immer später abends nach Hause, schwänzte dann und wann die Schule, sein Zustand verschlechterte sich dahingehend, dass er sich völlig veränderte und zum Zombie wurde… dann später aggressiv den Mitschülern gegenüber, Schlägereien in der Schule, Suspendierung vom Unterricht, kein Zähneputzen und keine geregelten Malzeiten mehr, nur noch in der Jogginghose, morgens wollte er nicht aufstehen…


    Ich musste und wollte also etwas tun in meinem Entsetzen und meiner Angst und ich beschloss Spion zu werden.


    Zuerst fing ich an seine damaligen Freunde anzurufen um sie über meinen Sohn auszufragen oder einfach nur zu fragen ob sie wüssten wo er sei, dann suchte ich ihn im Dunkeln an den Plätzen wo ich glaubte wo er sei, ich kaufte mir sogar ein Nachtsichtgerät und wartete hinter Büschen um die Jugendlichen zu beobachten (keine gute Idee, denn mit dem Nachtsichtgerät sehen alle Leute im Grunde gleich aus). 


    Dann wurde ich intelligenter und stand nachts auf um sein Handy zu durchsuchen, die Ortungsfunktion zu aktivieren, die What’sApp Nachrichten zu lesen, machte mir Screenshots und schrieb mir die Telefonnummern der Bekannten und auch derer auf die meinem Sohn Verkaufsangebote für alle möglichen Substanzen machten.


    Vorher hatte ich mich bei Fachleuten erkundigt wie ich diese Spionagetätigkeiten durchführen konnte ohne dass mein Sohn es merkte. Und siehe da, es klappte.


    Noch in der selben Nacht schickte ich dann mit verdeckter Nummer eine SMS an verschiedene „Händler“ mit der Drohung, dass wenn Sie noch einmal mit meinem Sohn Kontakt aufnähmen ich sie sofort anzeigen würde.


    Zur Verstärkung meiner Aktionen kontaktierte ich die Eltern einiger Sünder und zeigte ihnen was ihre Kinder meinem Sohn angeboten hatten.


    Eines Tages erkannte ich in der Dampfsauna die schemenhafte Gestalt der Mutter eines der Kinder die ich noch nicht kontaktiert hatte und sagte ihr alles…und nach dem Rausgehen aus der Sauna zeigte ich ihr die eindeutigen Fotos als Beweise. Der erst ungläubigen Dame schoss beim Anblick der Screenshots vor Entsetzen das Blut ins Gesicht und stumm und apathisch trottete sie dann zu ihrem Auto, überlegend was jetzt zu tun sei.


    Ich lag ganze Nächte auf der Lauer und wälzte mich schlaflos im Bett hin und her und starrte die grausame Uhr an deren Zeiger sich einfach nicht weiterbewegen wollten.


    Das mit der Ortung funktionierte gar nicht da mein Sohn regelmäßig sein Handy ausschaltete wenn er verschwand.


    Ich beschaffte mir einen Nachschlüssel von seinem kleinen Safe, öffnete ihn wenn er nicht da war und schnüffelte an jedem Tütchen oder Gegenstand der darin war und las jeden Zettel und fotografierte alles.


    Durchsuchte sein Zimmer nach Geld nachdem er in WhatsApp Nachrichten angekündigt hatte welches zu haben, fand tatsächlich Geld, stellte ihn dann zur Rede woher er es denn plötzlich habe…Dann zwang ich ihn gegebenenfalls alles zurückzugeben...


    Ich fuhr im nach oder ging ihm hinterher aber meist verlor sich seine Spur immer wieder auf unerklärliche Weise wie die eines Phantoms im Dunkeln.


    Doch einmal fand ich ihn tatsächlich unter Ausnutzung aller technischen Tricks und bat ihn in mein Auto einzusteigen. Aufgeschreckt und mit roten Augen starrte er mich an, sagte nur: "Einen Scheißdreck mach ich" und verschwand im Dunkeln mit irgendwelchen seltsamen Gestalten die sich noch über mich lustig machten und ich stand wieder da im Regen und mein Herz krampfte sich zusammen.


    Meine Spionagetätigkeit nahm aber noch mehr Fahrt auf, ich arbeitete nun auch mit der Polizei zusammen, zeigte einige Leute an, hörte an seiner Zimmertür wenn er telefonierte oder wenn er vor dem Haus telefonierte, lauschte ich bei halb geöffnetem Fenster und versuchte mir einen Reim auf die bruchstückhaften Sätze zu machen die ich vernahm.


    Dann versuchte ich sein Zimmer zu verwanzen, schaute durch das Schlüsselloch (wurde dabei aber mehrfach erwischt).


    Ich war weiterhin fest entschlossen die Probleme zu lösen obwohl ich unglaublich an dieser Kräfte- und Nerven- zehrenden Spionagetätigkeit litt, wurde immer panischer, schlief immer weniger und schlechter, konnte mich kaum auf meine andere Arbeit konzentrieren, meine Nackenhaare stellten sich vor Angst auf wenn abends wieder mal das Telefon klingelte und die Polizei oder der Notarzt mich baten meinen Sohn abzuholen.


    Und jetzt sage ich Euch noch was all diese Spionageaktionen (und ich war sicherlich einer der Besten und versessensten Spione) die sich über ganze 2 Jahre hingezogen haben gebracht haben:


    Mein Sohn rutschte immer tiefer in die Drogenszene, kam manchmal nachts nicht nach Hause, wurde endgültig von der Schule suspendiert, beschaffte sich Geld auf allen möglichen Wegen, zerschlug einige Möbel und Türen in unserem Haus, wurde immer frecher und aggressiver, sprang aus dem Fenster wenn wir die Haustüre abschlossen, verletzte sich selber und wurde verprügelt und mehrfach vom Rettungswagen in Kliniken gebracht, Anzeigen von der Polizei…immer härtere Drogen, Verwahrlosung, Panikattacken bei ihm und bei mir….verbrachte fast 3 Monate auf der Straße...


    ALSO, LEUTE MACHT NICHT DEN GLEICHEN FEHLER WIE ICH! Spionage ist bei dieser Problematik komplett nutzlos. Sie bringt überhaupt keine Verbesserung, sondern zehrt Eure körperlichen und psychischen Kräfte komplett aus ohne Euren Kindern zu helfen. Und danach braucht Ihr selber Drogen oder einen verdammt guten Psychologen der Euch da wieder rauszuholt.


    Besser hätte ich Wanderungen gemacht, wäre Schwimmen und in die Sauna gegangen, hätte Mozart gehört oder meine Zeit in einer Elternselbsthilfegruppe verbracht und mich mit den netten Leuten dort unterhalten.


    Gebt Euren betroffenen Kindern einfach ein Handy und sagt ihnen, dass sie Euch Tag und Nacht anrufen können wenn sie Hilfe brauchen. Wie gesagt Ortungsfunktion ausschalten.



  • Wenig kann viel bewirken!

    o  Das Schlimmste für mich war, mit ansehen und aushalten zu müssen, wie mein Sohn bei -mehr oder weniger- lebendigem Leib immer mehr verschwand, und eine Person zum Vorschein kam, die ich nur schwer ertragen oder gar lieben konnte. 


    o  Er hat unter Drogenkonsum gelogen und betrogen, uns bestohlen und war im psychotischen Zustand nicht mehr der, den ich geboren und wir großgezogen hatten. 


    o  Dieser Zustand hat mir als Mutter das Herz zerrissen. Ich habe mir so sehr gewünscht, ihn halten zu können,  auf seiner Rutschbahn in „die Hölle“, und ich habe mich immer wieder gefragt, was ich falsch gemacht habe, und was ich jetzt nur tun könne, damit sich dieser unerträgliche Zustand ändert.


    o  Die Antworten sind einfach und sehr traurig: nichts und wenig!


    o  Allerdings kann wenig durchaus viel bewegen…:-)


    o  Heute weiß ich durch viele Gespräche mit meinem Sohn, dass ihm selber nicht einfällt, an welcher Stelle ich etwas „falsch gemacht“ haben könnte. Ich habe schlichtweg nichts falsch gemacht!


    o  Mein Sohn wollte diesen seinen Zustand genau so wie er ihn sich zugeführt hat. Er wollte genau diese vermeintlichen Freunde, die er zu diesem Zeitpunkt hatte. Er wollte genau dieses Leben, diese Rutschpartie, dieses Spiel mit dem Feuer…


    o  Er hatte sich für diesen Weg entschieden , und das einzige was ich in dieser Situation tun konnte, war wenig, aber wirkungsvoll: ihm auf seinem Weg Leitplanken zu geben (die Hauptaufgabe von uns Eltern), Orientierungshilfen zu bieten, Begrenzungen links und rechts zu setzen, und so immer im Gespräch zu bleiben. Immer und immer. 


    o  Schau: dieses Haus, dein Zimmer, deine Geschwister, das ist deine Schutzzone. Wir brauchen dich, wir vermissen dich, wir lieben dich!


    o  Aber du darfst hier nicht konsumieren, das zerstört uns alle, das zerbricht uns das Herz, du machst uns sehr traurig. Das geht nicht!


    o  Du konsumierst trotzdem? Ich trete die Tür ein. Ich schmeiße die Sachen aus dem Fenster. Deine Brüder schreien. Nachher weinen wir alle.


    o  Wir wollen nicht, dass du gehst. Aber du musst dich an bestimmte Regeln halten. Damit alle geschützt sind. 


    o  ….Auch wenn du, mein Sohn, durch den Drogenkonsum so oft ein anderer bist: dein Herz ist nicht aus Stein…. 


    o  Auch du weinst und sagst, ob ich eigentlich denke, dass dein Zustand ein schöner ist? Und ich sage laut: Nein. Er ist beschissen! Lass mich dir helfen. Und es ist ein zartes, aber es ist ein Band. Eine Verbindung.


    o  Wir lieben dich. Wir lieben dich. Wir lieben dich.


    o  Ein Freund, er ist Psychologe, sagt mir, dass ich jetzt die Rolle einer Pferdeflüsterin einnehmen müsste. Immer wenn mein Sohn sich hervor wagt, ganz vorsichtig, ganz zart, dann muss ich zupacken. Ihn mit meiner Liebe überschütten, ihn wie in einer Decke einwickeln und fangen - und ihm Hilfe anbieten. Immer und immer wieder. Irgendwann, wird das fruchten. 


    o  Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Zum Glück.


    o  Eigentlich möchte ja niemand gerne sterben. Dafür ist das Leben einfach zu schön. Und solange dieser Funke noch vorhanden ist, gibt es immer wieder diese Momente, in denen man zugreifen kann! Seine Hand reichen, seine Arme öffnen kann. 


    o  Ich habe „Lieben“ noch nie so schwer empfunden wie in vielen Stunden bei meinem Sohn. Und ich war dankbar, um jede Unterstützung, die ich hatte.


    o  Aber aus meiner Erfahrung heraus würde ich heute sagen, es ist die einzige Möglichkeit, die wir überhaupt gegen die Drogensucht haben. Liebe.


    o  Und: Da sein.

  • Die Geschichte der helfenden Bienchen

    Die nachfolgende Geschichte zeigt, dass man manchmal oft und immer wieder an eine Hilfestelle treten und hartnäckig sein muss, um etwas Wichtiges zu erreichen - wie die Tochter in dieser Geschichte, die sich immer wieder an den Vater wendet. 


    Die Geschichte der Bienchen:

    Mein Vater hat Bienen. Heute war ich bei ihm zu Hause und er zeigte mir den ganzen Honig, den er aus den Bienenstöcken geholt hatte. Er nahm den Deckel von einem 5-Gallonen-Eimer voller Honig ab und oben auf dem Honig waren drei kleine Bienen, die sich abmühten. Sie waren mit klebrigem Honig bedeckt und ertranken. Ich fragte ihn, ob wir ihnen helfen könnten, und er sagte, er sei sicher, dass sie nicht überleben würden. Vermutlich sind sie Opfer des Honigsammelns.


    Ich fragte ihn erneut, ob wir sie nicht wenigstens herausholen und schnell töten könnten, schließlich war er derjenige, der mir beigebracht hatte, ein leidendes Tier (oder einen Käfer) von seinem Elend zu erlösen. Schließlich lenkte er ein und schöpfte die Bienen aus dem Eimer. Er steckte sie in einen leeren Joghurtbecher und stellte den Plastikbehälter nach draußen.

    Da er den Bienenstock bei der früheren Honigentnahme gestört hatte, flogen die Bienen draußen überall herum.


    Wir setzten die 3 kleinen Bienen in dem Behälter auf eine Bank und überließen sie ihrem Schicksal. Mein Vater rief mich kurze Zeit später zu sich, um mir zu zeigen, was passiert war. Diese drei kleinen Bienen waren von all ihren Schwestern umgeben (alle Bienen sind weiblich), und sie putzten die klebrigen, fast toten Bienen und halfen ihnen, den Honig von ihren Körpern zu entfernen. Als wir kurze Zeit später zurückkamen, war nur noch eine einzige kleine Biene in dem Behälter. Sie wurde immer noch von ihren Schwestern gepflegt.


    Als es Zeit für mich war zu gehen, schauten wir ein letztes Mal nach, und alle drei Bienen waren so weit gesäubert, dass sie wegfliegen konnten, und der Behälter war leer.


    Diese drei kleinen Bienen lebten, weil sie von Familie und Freunden umgeben waren, die sie nicht aufgeben wollten, Familie und Freunde, die sich weigerten, sie in ihrer eigenen Klebrigkeit ertrinken zu lassen, und die beschlossen, ihnen zu helfen, bis die letzte kleine Biene befreit werden konnte.


    Bienen-Schwestern. Bienen-Kolleginnen. Bienen-Kollegen.


    Wir könnten alle ein oder zwei Dinge von diesen Bienen lernen. 

    Bee kind always.


    Übertragen auf die Situation mit unseren Kindern bedeutet es, dass man manchmal nur irgend jemanden braucht, der ein bisschen was macht und  so "den Stein ins Rollen bringt." Und dann kann ein gutes helfendes Miteinander entstehen. 

  • Warum Tobias? Tobias warum?

    Erst nach diesem wunderschönen Sommertag im September 2016 war ich in der Lage, die Geschichte meines Sohnes aufzuschreiben. Niemand, der Tobias Leben kannte, auch ich nicht, hätte es für möglich gehalten, dass es diesen Tag geben würde: den Tag, an dem mein Sohn mit seiner tollen Frau Hochzeit feierte. 


    Schon als kleines Kind war Tobi sehr neugierig und probierte gerne alles Mögliche aus. So war es später mit jeder Art von Drogen, , obwohl er über die Folgen schon früh aufgeklärt wurde. „Warum Tobias? Tobias, warum?“ fragte ich mich oft und ihn auch. 


    Dachten wir doch, als er in Köln auf die Kunstschule wechselte, nun ginge es zumindest schulisch aufwärts, denn Tobi war künstlerisch sehr talentiert. Er konnte sehr gut malen und zeichnen, tolle Modelle aus Holz und Speckstein anfertigen. Sein Ziel war es, Grafik und Design zu studieren. Aber dort kam seine Drogenkarriere so richtig in Fahrt, vom Studium war nachher keine Rede mehr. Tobi hing mit seinen Punk-Freunden in Abriss-Häusern rum – dort kreisten die Bierflaschen und die Joints, während dazu Gitarre gespielt und gesungen wurde. 


    „Eine Malerlehre ist doch auch was… und darauf kann ich aufbauen“, tröstete Tobi uns, als er von der Schule ging. Die Lehre, die er nach seinen Worten nur uns zuliebe machte, schaffte er wirklich. Noch ein bisschen arbeiten und dann wollte Tobias sich die Welt angucken! 

    Aber seinen Job verlor er sehr schnell, weil er unpünktlich und unzuverlässig war, wegen Alkohol oder Drogen auch seinen Führerschein. 


    Tobias war wegen verschiedener Geldstrafen, um die er sich nicht gekümmert hatte, zum ersten Mal im Gefängnis – kurz nach Weihnachten 1993. Wir zahlten die 2.000 Mark unter der Bedingung, dass er das Geld bei seinem Vater, der einen Malerbetrieb hatte, abarbeitete. Aber schon bald vermuteten wir, dass er wieder kiffte. 


    Wenn er nur nicht mit Heroin anfängt, war meine größte Sorge. Allerdings gab es dafür keinen Zweifel mehr, als Tobias von zwei Freunden nach Hause gebracht wurde. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Die Jungs schleppten Tobi nach oben ins Gästezimmer, das er im Moment bewohnte. Drei Tage lang kotzte sich Tobias die Seele aus dem Leib. Es war schrecklich. Als ich ihn darauf ansprach, meinte Tobias tatsächlich: „Der Kick war es das wert.“ Danach war er auch nicht mehr bereit, weiter bei Fred zu arbeiten und verschwand mal wieder aus unserem Blickfeld, wie schon so oft.


    Ich war fix und fertig. Irgendwie mussten wir Tobi doch zu fassen kriegen und ihm helfen können. Von der Drogenberatung, an die ich mich schon vor längerer Zeit gewandt hatte, lag noch ein Flyer vom Elternkreis Oberberg bei mir auf meinem Schreibtisch. Hier lernte ich auch andere Eltern kennen und musste lernen, dass wir unseren Kindern nur helfen können, wenn sie dazu bereit sind. 


    Trotzdem machte ich mich immer wieder auf die Suche nach meinem Sohn, hauptsächlich in Köln, wusste ich doch, dass er hier oft als Pflastermaler am Dom saß und seine Comics ausmalte. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und auch das Geld in seinem Becher, der neben  dem Gemälde auf dem Boden stand. Auch kannte ich die Plätze, an denen er sonst noch schnorrte und versuchte dort mein Glück. So schlimm es war, Tobi in diesem Zustand zu sehen, so froh war ich, ihn überhaupt zu sehen. Wusste ich nun sicher, dass er lebte, dass es ihm einigermaßen gut ging.


    Aber oft war meine Suche auch erfolglos und wir hörten monatelang nichts von Tobias. Einmal meldete sich eine Frau aus Berlin: Ihrem Sohn geht es sehr schlecht. Er muss zu einem Arzt. Er will nach Hause. Ich versprach der Frau, ihr das Geld für eine Fahrkarte nach Köln zu überweisen. Drei Tage dauerte es, bis Tobi anrief und wir ihn am Bahnhof in Kirchbach abholen konnten und dann im Krankenhaus eine schwere Hepatitis festgestellt wurde.


    Immer wieder Entgiftungen. So wichtig wäre eine Langzeit-Therapie, aber dazu war Tobi nicht bereit. „Ich schaffe das auch so.“ Aber sobald es ihm etwas besser ging, war er wieder aus der Klinik verschwunden. Alles war ja freiwillig, man konnte die Süchtigen nicht festhalten.


    Wieder war Tobias unterwegs. Wir hatten schon lange nichts mehr von ihm gehört. Fred und ich waren mit unseren Enkelkindern für ein paar Tage in Holland, als das Handy ging. „Mama, ich kann nicht mehr – mir geht’s total schlecht. Kannst du mich bitte holen und nach Fleckenbühl bringen?“ Tobi hatte schon zu Hause angerufen und bei Freunden, die ihm Freds Handy-Nummer gegeben hatten. Letztendlich holte ihn ein Freund in Frankfurt am Bahnhof ab. Völlig zerlumpt saß er auf einem Stück Pappe und war dann total erleichtert, als er seinen Freund Andy sah, der ihn nach Fleckenbühl brachte. 


    Wir waren überglücklich! Freiwillig war unser Sohn dorthin gegangen – sogar seine Schuhe hatte er in Andys Auto gelassen. Ein Zeichen, dass er es ernst meinte. Fred rief alle paar Tage dort an – ich war dazu nicht in der Lage, vor lauter Angst, dass er wieder weg sein könnte. Und genau das passierte wieder. „Ihr Sohn ist seit gestern Abend nicht mehr hier. Wir haben versucht, mit ihm zu reden… aber er ist mit zwei anderen Jungs gegangen.“


    Ich war untröstlich. „Das kann nicht sein – er war am Ende, er wollte doch clean werden.“ Wieder machte ich mich auf den Weg, um ihn zu suchen. Zunächst nach Kassel, das war die nächstgrößere Stadt von Fleckenbühl aus. Aber dort in der Szene hatte niemand Tobi gesehen, dessen Foto ich dort rumzeigte. Dann vielleicht wieder Frankfurt? Ich zeigte einem jungen Mann am Bahnhof das Foto und tatsächlich, der kannte Tobi. „Ich habe ihn heute Morgen hier gesehen. Er sieht ganz verändert aus – er hat die Haare abgeschnitten.“ Er gab mir den Tipp, es nach 17 Uhr im Druckraum in der Moselstraße zu versuchen. Gesagt – getan! Ich rief Fred und sagte ihm Bescheid. Um kurz nach 17 Uhr war ich in dem beschriebenen Raum der Drogeneinrichtung Frankfurt. Ich öffnete die Tür und sah ihn sofort. Mein Sohn erschrak zuerst, als ich ihn ansprach, aber dann nahm er mich in den Arm. „Ich komme mit Dir, Mama. Ich muss endlich eine Lösung finden. Ich will raus aus diesem Kreislauf.“ Tatsächlich war das Beginn für eine Langzeit-Behandlung. „Therapie sofort“, hieß das Programm, das die Drogenberatung ihm anbieten konnte. Aber auch das klappte nicht beim ersten Anlauf.


    Gefängnis-Aufenthalte, viele Entgiftungen, Therapien, Neuanfänge in verschiedenen Städten. Tobias bekam immer wieder Hilfs-Angebote nach Abbrüchen, nach Enttäuschungen. Ich suchte ihn immer wieder und fand ihn auch sehr oft. „Wenn Du Dir helfen lassen willst, komm mit nach Hause.“ Das war die Bedingung. 


    Und eines Tages – nach der fünften Langzeit-Therapie klappte es. 

    Während der Therapie lernte Tobi seine jetzige Frau kennen und lieben. Sie hatte eine kleine Tochter und er hatte nun eine eigene Familie, für die es sich lohnte zu kämpfen und ein Leben ohne Drogen zu führen. 


    Gisa Rausch – „Warum Tobias? – Tobias, warum?“ 

    Erschienen im BoD-Verlag (Books on Demand) 


     



  • Perspektivenwechsel: Susannes Geschichte

    Hallo, ich bin Susanne, 54 Jahre alt und habe über 30 Jahre Erfahrung mit Heroin, Kokain und Canabis. Heute möchte ich die Dinge aufzählen die mir geholfen haben diese Jahre zu erleben.

    Bei eventuellen Nachfragen gibt Barbara sicher gerne meinen Mailkontakt weiter. 

    Beim (Über)Leben geholfen hat mir persönlich geholfen: 

    - gesundheitliche Aufklärung die Verfügbarkeit von sauberen, kostenfreien/günstigen Konsumutensilien (eine etwas andere “Gnade der späten Geburt”)

    - Situationskenntniss und Krankheitseinsicht/-akzeptanz

    - der Schwarzmarkt mit Substituten. Zum Glück hatte ich immer wieder Kollegen oder Bekannte die ein bisschen ihres Substituts abgegeben haben. Das hat es mir erlaubt immer mal wieder Auszeiten zu nehmen bzw einigermaßen verlässlich zu sein. 

    - Aktiv sein in einer akzeptierenden Selbsthilfegruppe. 

    - Externe Hilfe in Form von ambulant betreutes Wohnen, freiwillige gerichtliche Betreuung. 

    - Spass am Leben (guten Gerüchen, lecker Essen, der Natur, Tieren, bunten Farben) 

     -Kontakt zu meinen Eltern, das Wissen das ich immer zu Ihnen gehen kann und sie mir helfen wenn sie können, hat mir extrem den Rücken gestärkt. Ich habe das nie  ausgenutzt, aber einige Male in Anspruch genommen und dafür bin ich sehr dankbar. 

    - die Erweiterungen der Medikamentenpalette in der Opiatsubstitution um rethardiertes Morphin und Diamorphin. 

    - Die Diagnose u Behandlung meiner eigentlichen Grunderkrankung die meinen problematischen Substanzkonsum das Fundament gelegt hat . (Das hat ca. 4 Jahre gedauert und wäre ohne verlässliche extrene Hilfe kaum möglich gewesen)

    - sehr,SEHR viel Glück und 5 Schutzengel im Schichtdienst!  




  • Was sagt Susannes Mutter dazu?

    Hallo, mein Name ist Margret Kottsieper, ich bin 79 Jahre alt und habe meine Tochter Susanne über Jahrzehnte ihrer Abhängigkeit begleitet. Heute möchte ich berichten was mir und meinem verstorbenen Gatten dabei geholfen hat:

    - das Wissen über Abhängigkeit, Drogen, Wirkung, Symtome, Rückfälle usw welches wir während unserer Ausbildung (2ter Bildungsweg) als Krankenpflegerin in einer Psychiatrie bekomnen haben. Unsere berufliche Erfahrungen auf einer Station für Entgiftung nahmen uns viel Angst! 

    - Hilfe, Verständnis u Unterstützung durch andere. Sucht ebenfalls Betroffene, falls euer familiäres/soziales Umfeld da nichts zu bietet hat. 

    - unser Kontakt zu Susanne und unser Angebot ihr zu helfen wenn notwendig, so wussten wir meistens wie es ihr geht. Mein Mann und ich haben uns bemüht die Erkrankung nicht allzu vordergründig zu sehen. Wir haben immer wieder Angebote gemacht, gemeinsame, möglichst unbelastete Zeit, zusammen zu verbringen und wir haben uns bemüht das Thema Drogen ruhen zu lassen. Das hat nicht immer funktioniert, aber wir haben uns alle bemüht am Ball zu bleiben. 

    -Gute Selbstfürsorge ist wichtig, was haben wir zu geben wenn es uns selbst nicht gut geht? Die Berufstätigkeit hat uns sehr geholfen, denn eine  sinnhafte Aufgabe zu haben, lenkt ab, stärkt den Selbstwert und erfreut.

    - die Situation so anzunehmen wie sie ist und die eigene Macht zur Veränderung nicht zu hoch einzuschätzen. Man kann begleiten, helfen, unterstützen und vielleicht sieht das Ergebnis hinter her ganz anders aus als die Erwartung mit der man gestartet war, aber letztlich muss die Motivation zur Veränderung/Verbesserung muss vom Betroffenen selbst kommen.

     - Seit Susanne das ambulant betreute Wohnen im Rahmen der Wiedereingliederungshilfe bekommt, ist sie nicht mehr ausschließlich auf unsere Hilfe angewiesen und das tat meinem Ehemann und mir, mit unseren altersbedingten Einschränkungen, sehr gut. Unsere Tochter hat eine stabile Anbindung an eine akzeptierende Selbsthilfegruppe für die sie lange ehrenamtlich im Vorstand tätig war und heute einen Minijob hat. 

    - Unser Glaube, unsere Ehe und positives Denken hat uns auch geholfen diese langen Jahrzehnte mit Krisen und Rückschlägen hinter und zu bringen. 



  • Schuldgefühle - Angst - Abgrenzung - Leslies Geschichte

    Mein Sohn Lennie fing ungefähr mit 13 an, zu kiffen.

    Zusammen mit seinen grossen Brüdern. Dazu kam dann schnell Zigaretten rauchen und ab und zu Alkohol. Im Laufe seines Erwachsenwerdens kamen immer mehr Drogen dazu.


    Mit 20 war er bereits polytoxikoman, das heißt, er kannte sich auch aus mit synthetischen Drogen, Kokain, Benzodiazepinen usw. Er wohnte damals nicht mehr bei uns.


    Erst als er 22 war, erfuhr ich durch den Anruf seiner Freundin, dass er Heroin konsumierte.


    Das traf mich richtig hart, denn da hatte ich sehr große Angst vor.

    Es folgten 6 sehr schwere Jahre, weil ich dachte, ich sei schuld an der Sache und müsse folglich auch alles tun, um ihn wieder clean zu kriegen.


    Ich gab mein eigenes Leben auf. Meine Gedanken und Gefühle kreisten fortan nur noch darum, was als nächstes kam. Ich hatte mein Handy immer an und checkte alle 20 Minuten meine Nachrichten.

    Und es kamen Nachrichten. Schlimme Nachrichten, die mich jedes Mal aus der Bahn warfen und mir bestätigten, dass ich nur noch mehr aufpassen musste.


    Ich hatte Angst, dass er tot aufgefunden wird. Da er dazu eine schwere Epilepsie hatte, war das Risiko doppelt gross. Ich machte Termine überall. In der Drogenberatung, in der Entzugsklinik, in der Psychiatrie, in der Neurologie, bei ambulanten Therapeuten. Wir fuhren in die Schweiz zum Entzug.

    Ausserdem sprach er immer häufiger davon, nicht mehr leben zu wollen.


    Oft hatte ich den Notarzt  im Haus, manchmal rief auch eine Klinik an, dass er gefunden wurde, irgendwo. Ich habe Vermisstenmeldungen aufgegeben.


    Ich schloss mich der Selbsthilfegruppe an. Dort lautete der Rat immer gleich: Abgrenzen. Loslassen. Die Gespräche mit anderen Eltern taten mir sehr gut.


    ****


    Im November 20 wurde er wegen seiner Epilepsie am Hirn operiert. Dabei kam es zu einer schweren Blutung und er war gelähmt, und kognitiv schwer eingeschränkt.


    Eigentlich hätte er da in Reha gemusst, das hat aber aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert, und er war ja noch immer abhängig, was die Sache zusätzlich erschwerte.

    Von seiner Op erholte er sich im folgenden Jahr, sehr langsam. Ich fing an, mich abzugrenzen, wie mir geraten wurde. Das war unglaublich schwer für mich, aber ich wusste mittlerweile, dass es so nicht weitergehen konnte.


    Und dann ging es plötzlich scheinbar aufwärts. Er beschloss zum wiederholten Mal, in den stationären Entzug zu gehen. Und das tat er. Er blieb dort 3 Wochen und wurde danach nahtlos in eine Rehaklinik in Castrop-Rauxel

    gebracht. Von dort kamen gute Nachrichten. Er schrieb, es gefiele ihm dort. Er habe Freunde gefunden. Seine Therapeutin sei toll.

    Ich konnte das gar nicht glauben und lauerte ständig auf schlechte Nachrichten.


    Die kamen nach 4 Monaten, es gab einen Verstoss und er flog raus. Er rief mich aber wenigstens sofort an, um mir das mitzuteilen. Ich fiel schon wieder in ein tiefes Loch.

    Ich sagte ihm, er müsse sich selbst darum kümmern, wie es weiter gehe. Ich habe keine Kraft mehr.


    Das ist jetzt einige Monate her. Er ist clean geblieben, er arbeitet in einem Restaurant. Er hat neue Freunde. Er sagt, er geniesst sein Leben und würde niemals mehr sterben wollen.

    Ich sehe ihn regelmässig und erkenne ihn nicht mehr wieder. Er ist so unbeschwert. Das ist so schön.


    Ich bin nicht unbeschwert. Ich werde mich von dieser schlimmen Zeit in meinem Leben nie mehr ganz erholen. Aber ich habe viel gelernt. Über mich selbst und über die Welt.

    Ich kann mein Leben geniessen. Damit habe ich nicht mehr gerechnet.






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Diese Zuschriften stellen die Meinung der jeweiligen Autoren dar. Der Elternkreis-Mettmann behält sich das Recht der Kürzung vor und übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt. Die Rechte an den Texten verbleiben selbstverständlich bei dem jeweiligen Autor.

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